Malen auf AIDAStella

von Student

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AIDA Projekt – Wandmalerei auf AIDAStella

Ziemlich überraschend wurde der Termin für die Ausführung des Gemäldes vorverlegt in den Oktober, ursprünglich war der Februar 2013 vorgesehen. Für die Gruppe bedeutete es unsere Flexibilität zu beweisen und die zahlreichen Termine, die zu Beginn des Semesters für alle anstanden, irgendwie zu verschieben. Zudem mussten wir die veranschlagten drei Wochen auf zwei reduzieren.

Ein gemeinsamer Nachmittag beim „Boesner” stand noch an, ein wohlüberlegter Grosseinkauf kostet Zeit. Teils mit der Bahn, teils mit dem Auto ging es also am 1.Oktober in Richtung Meyer Werft nach Papenburg.

Keiner von uns hatte bis zu diesem Zeitpunkt eine Werft von diesem Ausmaß gesehen, der Eindruck der größten Dockhallen der Welt war dementsprechend auf uns. Sicherheitsschuhe, Helm und Schutzbrille gehörten auf der Werft auch für uns Maler zur Pflichtausstattung.

Die  betriebsame, teils hektische Atmosphäre, die Lautstärke der verschiedensten Gewerke, die kalte Zugluft und nicht zuletzt die extremen Lackgerüche; alles stand in extremem Widerspruch zur gewohnten konzentrierten Atmosphäre unserer Malerateliers.

Nachdem wir unsere Wand ausfindig gemacht hatten und unsere Materialen an Bord gebracht hatten, legten wir unmittelbar mit der Übertragung unserer Vorzeichnung auf die Wand los.

Das geschah mittels Kohlepapier, das wir unter den Packpapierbögen an der Wand anbrachten. Die Informationen, die wir von der Agentur durch Grundrisse und Pläne bekommen hatten, entsprachen, Gott sei dank, der Realität, so, dass es keine größeren Probleme bei der Übertragung gab.

Trotzdem war die Wirkung der vielen Türen und anderen optischen Unterbrechungen in der Wand theoretisch nur schwer vorstellbar. Zusätzlich mussten wir einberechnen, dass nach Abschluss unserer Arbeit fünf massive Monitore an festgelegten Stellen vor unser Werk montiert würden. Zeitgleich arbeiteten mit uns die Bodenverleger im Raum, außerdem wurde der Flur und die Türen in unserer Wand als Durchgang für die verschiedensten Arbeiter genutzt. Man muss sich also vorstellen, dass immer mal wieder jemand aus unserer Wand kam.

Nach ca. 12 Stunden Arbeit war die Vorzeichnung an der Wand. Gegen Abend wurde die Arbeitsatmosphäre etwas leichter, da es zunehmend einsamer auf dem Schiff wurde.
Der folgende Tag gehörte dem Beginn der Malerei. Das wichtigste war zunächst eine Arbeitsordnung herzustellen: Das mitgebrachte Licht musste installiert werden, Farben und Pinsel sortiert werden, etc. Die Aufgaben waren grob verteilt: Majed Dallel war für den kompletten Himmel und das Meer verantwortlich. Dafür haben Andreas und Majed auf kleinen Kartons die Farbverläufe ausgetüftelt und festgelegt.

Dass ein gleichmäßiger Verlauf über 23 m mit Acrylfarbe gelingt, ist eine technische, aber auch eine physische Herausforderung.

Die runden Abschlüsse der Rückenlehnen der berühmten Sitzbänke des Park Güell von Antoni Gaudi dienen im Entwurf des Wandgemäldes als ein bindendes Hauptelement für die verschiedenen collageartigen Szenen aus dem Park und Ausblicke auf die Stadt.

Monumental aufgeblasen und dramatisch in die Tiefe leitend, sorgt diese schlangenartige Form auch für den Ausgleich gegen die extreme horizontale Form. Da ca. zwei Drittel des Werkes in einem drei Meter breiten Flur situiert sind und somit nicht aus der Entfernung zu sehen sind, musste das Schwergewicht insgesamt auf den Eventcharakter des Ablaufens gelegt werden und gleichzeitig der Zusammenhalt gewahrt bleiben. Wir einigten uns darauf, dass Maxim Probst folgerichtig die „Schlange” in Angriff nimmt, um das Hauptgestaltungselement mit seinen entscheidenden Farben und Kontrasten als Referenz für den Rest der Motive auf der Wand zu haben. Katrin Elsen und ich nahmen uns das vermeintlich genussreichste Stück vor: die schönen und abwechslungsreichen Mosaikbruchstücke, die an einer Stelle in gigantischen „Blow-Up” dargestellt sind. Dabei galt es eben nicht die Muster in erster Linie zu malen, sondern die Materialität der Keramik in einem bestimmten Licht und Perspektive. Das fiel nicht leicht, und hatte eine Menge Kritik und Korrektur zur Folge.

 

Professor Orosz beschäftigte sich mit den eigentlichen Stadtansichten, den Ausblicken auf Barcelona. Die Fotovorlagen waren ja bei der vorbereitenden Reise im Mai 2012 bei genial klarem und sonnigem Wetter gemacht worden. Die Stadt hatten wir in weiser Voraussicht aus verschiedenen Höhen, bei verschiedenen Sonneneinstrahlungen und mit verschiedenen Brennweiten komplett durchfotografiert, so dass kein Mangel an guten Vorlagen bestand. Wir kombinierten je nach Bedarf verschiedene Brennweiten und konnten so Sehenswürdigkeiten wie die Sagrada Familia akzentuieren. Schnell stellte sich heraus, dass es eine schier unmögliche Aufgabe werden würde die Stadtansichten in der notwendigen Detailliertheit innerhalb der geforderten Zeit fertig zu stellen, zumal klar war, dass Andreas nicht die gesamten zwei Wochen mit uns auf der Werft verbringen würde.

 

 

Bliebe noch die Vegetation im Park als eine der begehrteren Aufgaben: Pinien, Sträucher, verschiedenen Palmen etc. , sowie zwei große Agaven. Nach und Nach lernten wir sehr viel, vor allem über die Unterschiede zwischen Wandmalerei und den Anforderungen an ein Tafelgemälde. Außerdem war die Arbeit im Team eine Herausforderung. Nicht die eigene Übersetzung und Überzeugung in den Vordergrund zu stellen, sondern sich flexibel aneinander anzupassen, war die Hauptaufgabe.

Alles in allem lief es flüssig an, der zweite und dritte Tag war geprägt von guter Laune und schnellen Fortschritten. Himmel und Wasser gelangen gut, einzelne Highlights begannen Gestalt anzunehmen. Danach allerdings nahm der Stress, die erste Erschöpfung und die Nervosität nicht fertig zu werden zu. Zu Stressabbau kam es auch zu einigen künstlerischen Auseinandersetzungen. Weit überwiegend aber war die gemeinsame Freude an der Sache.

Nach vier Tagen fuhr Andreas Orosz ab und wir waren uns selbst überlassen. Einerseits fühlten wir uns der Herausforderung gewachsen und waren voller Vorfreude zeigen zu können, was wir jeden Tag erreicht haben. Andererseits hatten wir an manchen Tagen das Gefühl, als wären wir wieder Kinder, die sich darauf freuen, dass ihre Eltern nach Hause kommen und alles in Ordnung bringen. Jede Nacht schickten wir an Andreas, wie gewünscht per Handy eine Reihe Fotos von den Fortschritten unserer Arbeit zur Beurteilung. Nach seiner genauer Analyse unserer Tagesarbeit, führten wir eine Telefonkonferenz mit allen Beteiligten zum Abschluss des Tages. Kritik war ähnlich willkommen wie Lob, denn es ging auch uns Studenten immer um das Ganze, um den Gesamteindruck. Irgendwie hatte sich die Sache eingeschliffen. Wir wechselten unsere Plätze, korrigierten uns gegenseitig und fragten um Rat, wenn es mal nicht voranging.
Eine der flächenmäßig größten Aufgaben waren die Sitzflächen und Basen der Bänke. Sie sind samt und sonders mit weißen Fliesenbruchstücken besetzt. Hier half einem kein Muster, hier ging es nur um Materialität.

Vor allem aber um Licht und Schatten. Nach Meinung aller ist an dieser Stelle eines der wirklichen Highlights des gesamten Werkes entstanden. Einfach und prägnant in der Umsetzung, die spannenden Kalt-Warm-Kontraste innerhalb der Schattenzonen gut wiedergegeben. Überhaupt: Schatten; eines der wichtigsten Illusions- und Gestaltungsmittel um die mediterrane sonnige Stimmung zu vermitteln.

Auf der Werft war es übrigens verboten zu essen, Toiletten gab es nur außerhalb des Schiffes; von Toiletten für Frauen ganz zu schweigen. Natürlich hatten wir im Laufe unseres Aufenthalts die Verbote gelockert und wurden von den Männern der Werksicherheit schon nach ein paar Tagen beschmunzelt und als Künstler mit „eigenen Regeln“ betitelt.

Interessant zu beobachten war die Reaktion der Leute auf den stetigen Fortschritt des Werks. Viele der vorbeieilenden Arbeiter blieben stehen, begutachteten und kommentierten unsere Arbeit. Je mehr weiße Flächen wir schlossen und je mehr das Ganze zu einem „Bild“ wurde, desto mehr Bewunderung erhielt das Projekt und das Team. Das bestätigte unser Konzept und die Bildintelligenz der Wandgestaltung

Für die letzten vier Tage kam Andreas noch einmal dazu; das Team war also wieder komplett. Jetzt hieß es zusammenhalten und an einem Strang ziehen. Es gelang uns weitesgehend bis auf die Stadtszenen fertig zu werden und wir entschieden noch einmal wiederzukommen, um mit neuer Kraft abzuschließen.

Am 21. November waren wir, diesmal zu viert, wieder auf dem Schiff und standen vor neuen Herausforderungen. Die Monitore waren nun angebracht, der Rest der Lobby war fertig, der Materialmix der Einrichtung wetteiferte mit dem Wandbild. Keine Ablenkung durch Werftalltag und Putzkollonnen, die quasi um uns herum polierten, war gestattet. Da war Professionalisierung angesagt. Wir mussten uns auf das Wesentliche konzentrieren – die Stadt und die Akzentuierung einzelner Stellen. Das Mittelstück mit Sagrada Familia und der Bank musste überarbeitet werden.

Diese Stelle ist aufgrund ihrer Sehenswürdigkeiten so markant, dass sie besondere Beachtung und besonderen Detailreichtum verdient. Es waren zwei Tage absoluter körperlicher und geistiger Konzentration bis zur Übergabe. Die Arbeit hat sich gelohnt und das wichtigste: Wir konnten unseren eigenen Ansprüchen und Vorstellungen genügen.

Obwohl das Projekt eine Auftragsarbeit gewesen ist und einen gewissen Unterhaltungscharakter hat, kann man ihm die malerischen Qualitäten nicht absprechen.